Technische Design Anforderungen

Der Design-Prozess für Raumfahrtkomponenten ist nach einem strikten Verfahren geregelt. Für einen effizienten Ablauf müssen zu Beginn konkrete Anforderungen an das Bauteil definiert werden, die in verschiedenen Tests oder Simulationen nachgewiesen werden.

Auf dieser Seite findet ihr einen umfangreichen Überblick zu den Anforderungen, die wir für unsere Mittelteile AESTUS und VEGA definiert haben und mit welchen Technologien diese realisiert werden.

Performance

P-01: Es soll möglichst viel Energie auf den Pfeil übertragen werden, um eine hohe Pfeilgeschwindigkeit zu erreichen.

P-02: Das Mittelteil muss sich bei jedem Schuss exakt gleich verhalten. Reproduzierbarkeit und Präzision stehen im Vordergrund.

P-03: Die Geradheit des Mittelteils muss garantiert sein.

Mechanisch

M-01: Das Mittelteil soll den spürbaren Schock auf ein Minimum reduzieren.

M-02: Das Mittelteil soll ein hohes Dämpfungsvermögen besitzen.

M-03: Die Masse des Mittelteils soll dem handelsüblichen Standard entsprechen.

M-04: Das Mittelteil soll unter andauernder Belastung und den gegebenen Umwelteinflüssen wie UV-Strahlung, Temperaturschwankungen und Regen eine besonders hohe Lebensdauer ohne Qualitätseinbußen bieten.

Funktional

F-01: Die Wurfarme müssen mit einer stufenlosen Einstellmöglichkeit exakt ausgerichtet werden können.

F-02: Die Oberfläche muss optisch und haptisch höchster Qualität entsprechen.

F-03: Der Anstellwinkel der Wurfarme soll in einem erweiterten Bereich einstellbar sein, um eine größere Varianz beim Tiller und dem Zuggewicht zu erreichen.

Performance-Anforderungen

Anforderung

Kommentar

Lösungsansatz

Lösungsumsetzung

P-01:
Es soll möglichst viel Energie auf den Pfeil übertragen werden, um eine hohe Pfeilgeschwindigkeit zu erreichen.

Beim Schuss soll die potentielle Energie des gespannten Bogens in die kinetische Energie des Pfeils umgewandelt werden, um diesen zu beschleunigen. Dabei wird jedoch nicht die gesamte potentielle Energie auf den Pfeil übertragen. Der Wirkungsgrad beschreibt das Verhältnis zwischen der kinetischen Energie des Pfeils an der potentiellen Energie im Vollauszug. Eine Vielzahl an Parametern beeinflussen den Wirkungsgrad. Vereinfacht kann angenommen werden, dass 70-80% der potentiellen Energie auf den Pfeil übertragen wird. Die restlichen 20-30% gehen als innere Energie auf den Bogen über. Dies macht sich unter anderem in den Vibrationen nach dem Schuss bemerkbar.

Der größte Teil der Energie, die auf den Bogen übergeht, wird für die Bewegung der Wurfarme aufgewendet. Ein gewisser Teil wird auch auf das Mittelteil übertragen. Diese Energie geht für die Beschleunigung des Pfeils als innere Reibung im Mittelteil verloren. Um diese Hysterese zu minimieren, muss das Mittelteil eine hohe Steifigkeit aufweisen. Je geringer die Durchbiegung des Mittelteils ist, desto weniger Energie wird bei der Verformung umgewandelt.

Strukturoptimierung für hohe Steifigkeit

P-02:
Das Mittelteil muss sich bei jedem Schuss exakt gleich verhalten. Reproduzierbarkeit und Präzision stehen im Vordergrund.

Die Reproduzierbarkeit spielt auf zwei Ebenen eine wichtige Rolle:

1: Bei jedem Zusammenbau muss alles exakt gleich positioniert sein.

Es werden spielfreie Verbindungen zwischen Wurfarm und Mittelteil am Schwalbenschanz und der Tillerschraube sowie zwischen den Komponenten des Mittelteils vorgesehen.

Hohe Passungstoleranzen im µm-Bereich unter Berücksichtigung der Eloxalschichtdicke.

2: Beim Schießen darf sich durch Vibrationen nichts verändern/lösen (losrütteln etc.).

Um das Lösen der Schraubenverbindungen durch Vibrationen zu verhindern, werden geeignete Sicherungstechniken eingesetzt.

Tillerschraube und -bolzen werden durch eine spreizende Konterschraube gesichert. Die primäre Seitenverstellung ist durch das M6x0.5 Gewinde selbstsichernd. Zusätzlich werden die beiden Bolzen des F.L.A.T. Systems durch gegenüberliegende Konterschrauben gesichert. Feste Gewindeeinsätze werden mit dem Mittelteil verklebt.

P-03:
Die Geradheit des Mittelteils muss garantiert sein.

Für die Fertigung ist die Spannung im Rohteil ein wichtiger Aspekt. In jedem metallischen Rohteil entstehen bei der Fertigung während des Abkühlprozesses innere Spannungen, weil die Oberfläche der Rohteile schneller abkühlt als das Innere. Diese Spannungen können durch geeignete Prozesse verringert, aber nicht vollständig eliminiert werden. Wird nun ein Bauteil aus dem Rohteil gefräst, werden im Fall der Mittelteile ca. 90% des Materials entfernt. Die inneren Spannungen, die zuvor im Gleichgewichtszustand lagen, verursachen dann eine Verformung des Bauteils.
Die Auflagepunkte der Wurfarme müssen jedoch exakt parallel gefertigt werden, sodass der Bogen gerade ausgerichtet ist und die Energie geradlinig in den Pfeil übertragen wird.

Es wird speziell spannungsarmgeglühtes 7075 Aluminium eines renommierten deutschen Herstellers verwendet.

Das Mittelteil wird in mehreren Spannungen gefertigt. Das bedeutet, dass das Mittelteil zwischen den Fertigungsschritten mehrmals neu auf die CNC-Maschine gespannt wird. Nach jedem Fertigungsschritt “entladen” sich die inneren Spannungen bereits teilweise. Die Verformung kann so in den folgenden Bearbeitungen kompensiert werden.

Wird das Mittelteil dagegen in einer Spannung gefräst, stellt sich die Verformung erst nach der Fertigstellung ein und kann nicht mehr ausgeglichen werden.

Die Passungsbohrungen für die Verbindungspunkte der Wurfarme werden im letzten Fertigungsschritt gefräst. Dazu wird das Mittelteil noch einmal vollständig neu, spannungsfrei auf die 5-Achs-CNC-Maschine gespannt. So wird sichergestellt, dass die Kontaktpunkte zum Wurfarm die höchstmögliche Parallelität bieten.

Durch die hohe Genauigkeit der Wurfarmkontaktpunkte kann auf eine Torsionseinstellmöglichkeit in der Wurfarmeaufnahme verzichtet werden, ohne die Präzision zu beeinträchtigen.

Mechanik-Anforderungen

Anforderung

Kommentar

Lösungsansatz

Lösungsumsetzung

M-01:
Das Mittelteil soll den spürbaren Schock auf ein Minimum reduzieren.

Schock bezeichnet den ersten Peak der Reaktion des Bogens nach dem Lösen. Dieser ist als Beschleunigung mit einem Gyroskop messbar.

Eine großflächige Krafteinleitung in das Mittelteil führt zu einer Reduktion der lokalen Spannungsspitzen, wodurch eine homogenere Spannungsverteilung erreicht wird.

Die Kraft wird zwischen den einzelnen Komponenten über großzügig dimensionierte formschlüssige Verbindungen, anstatt mittels Gewinden oder Linienkontakten, übertragen. So wird die effektiv genutzte Fläche für die Kraftübertragung maximiert.

M-02:
Das Mittelteil soll ein hohes Dämpfungsvermögen besitzen.

Mit der Dämpfung wird die Abklingrate der Vibrationen beschrieben, die durch den Schuss angeregt werden.

Die relevanten Eigenfrequenzen müssen oberhalb der Schwingungsfrequenz des Bogens multipliziert mit Faktor √2  liegen, um eine Anregung der natürlichen Schwingung zu unterbinden. Je höher die Steifigkeit, desto höher liegen die Eigenfrequenzen.

Vibrationen können durch innere Reibung im Material oder in Form von Reibung zwischen Komponenten als Hysterese abgebaut werden. Das Mittelteil selbst bietet also bereits eine gewisse innere Dämpfung. Zusätzlich dienen die Stabilisatoren und Dämpfer zum Schwingungsabbau.

Strukturoptimierung, um eine hohe Steifigkeit und damit höhere Eigenfrequenzen zu erreichen.
Geringfügige Reibung zwischen Komponenten zulassen, damit Schwingungen effizient abgebaut werden können.

M-03:
Die Masse des Mittelteils soll dem handelsüblichen Standard entsprechen.

Handelsübliche Highend Mittelteile besitzen eine Masse von ca. 1300g ±50g. Grundsätzlich ist es möglich ein extrem leichtes Mittelteil unter 1000g zu konstruieren und ein möglichst leichtes Mittelteil klingt erstmal nach einer guten Idee. Allerdings geht eine starke Gewichtsreduzierung immer mit einem Verlust an Biegesteifigkeit einher, was wiederum den Wirkungsgrad verringert. Zusätzlich erhöht sich das Risiko für Strukturversagen, insbesondere bei hohen Zuggewichten. Außerdem bevorzugen die Sportlerinnen und Sportler, gerade im Highend Bereich, Bögen mit einer höheren Masse. Darüber hinaus verringert eine niedrige Masse die Eigenfrequenzen, was sich beim Schießen als Vibration bemerkbar macht.

Masse ≤ 1300g

Strukturoptimierung für eine homogene Spannungsverteilung, sodass die höchstmögliche Steifigkeit bei den gegebenen Randbedingungen erreicht wird.

M-04:
Das Mittelteil soll unter andauernder Belastung und den gegebenen Umwelteinflüssen wie UV-Strahlung, Temperaturschwankungen und Regen eine besonders hohe Lebensdauer ohne Qualitätseinbußen bieten.

Mit zunehmender Nutzung können die Kontaktpunkte zwischen Wurfarm und Mittelteil abrasiv verschleißen, wodurch die Wiederholgenauigkeit leidet.
Bei der andauernden Belastung können sich Mikrorisse bilden, die sich mit der Zeit ausdehnen und zum Versagen der Struktur führen können. Durch häufige Nutzung können Gewinde im weichen Aluminium geschädigt werden. Auch die Oberflächenbeschichtung, insbesondere Lack, wird mit der Zeit in Mitleidenschaft gezogen.

Jede Komponente und jede Verbindung wird auf maximale Lebensdauer ausgelegt.

Die formschlüssigen Verbindungen zwischen den Komponenten reduzieren Verschleiß, indem die Kraft über effektiv größere Flächen übertragen wird.
Die Oberfläche wird mit einer besonders widerstandsfähigen Harteloxal-Beschichtung veredelt.
Häufig geschraubte Gewinde werden in Edelstahl ausgeführt.
Die Struktur wird auf Dauerfestigkeit >105 Lastzyklen ausgelegt. Dabei werden die Sicherheitsfaktoren nach europäischem Raumfahrtstandard ECSS-E-ST-32-10C_Rev.2-Corr.1 (metallic parts, Satellite) inkl. einer zusätzlichen Margin erfüllt.

Funktionale Anforderungen

Anforderung

Kommentar

Lösungsansatz

Lösungsumsetzung

F-01:
Die Wurfarme müssen mit einer stufenlosen Einstellmöglichkeit exakt ausgerichtet werden können.

Die Fertigungstoleranzen der Wurfarmhersteller sollen perfekt ausgleichbar sein. Häufig sind die Nut für die Tillerschraube oder die Bohrung für den Schwalbenschwanz nicht exakt mittig, obwohl der Wurfarm in sich gerade ist. Ist der Wurfarm dagegen bereits in sich krumm, kann dies auch nicht durch eine statische Torsionskorrektur im Mittelteil ausgeglichen werden, da sich die Torsion der Wurfarme dynamisch im Auszug ändert. Aus diesem Grund wird bewusst auf diese Einstellmöglichkeit verzichtet und stattdessen auf höchstmögliche Parallelität der Lager geachtet.

Die Mittelteile bieten eine präzise, stufenlose seitliche Justierbarkeit der Wurfarmaufnahme an der Tillerschraube und dem Lager.

F-02:
Die Oberfläche muss optisch und haptisch höchster Qualität entsprechen.

Die Qualiät und Haptik der Oberfläche sind die ersten Punkte, die die Sportlerinnen und Sportler bei einem Mittelteil wahrnehmen, noch bevor der Bogen geschossen wird. Es können Frässpuren wie Rattermarken sichtbar sein, die entstehen, wenn das Fräswerkzeug aufgrund ungeeigneter Verfahrensparameter beginnt zu schwingen. Händisch polierte Flächen sind i.d.R. nie komplett einheitlich und sandgestrahlte Oberflächen können nach dem Eloxieren eine feilenähnliche Oberflächenstruktur bilden, an der Schmutzpartikel haften. Diese sind als Farbunterschied sichtbar und lassen sich nur schwer entfernen, da auch Poliertücher oder ähnliches Partikel auf der Oberfläche hinterlassen.

Die Mittelteile besitzen eine hochwertige, moderne, matte Optik und angenehme Haptik durch speziell für 7075 Aluminium entwickelte Eloxalverfahren und Vorbehandlungen, sodass Schmutz einfacher entfernbar ist.

Frässpuren werden bereits bei der Fertigung minimiert, indem die Fräsprogramme bis ins letzte Detail optimiert sind und die Oberfläche sehr fein geschlichtet wird.
Vor dem Eloxieren werden die Mittelteile mit einem Spezialgranulat gestrahlt. Anschließend durchläuft das Bauteil einen zusätzlichen Schritt, in dem die scharfen Mikrokanten, die durch das Strahlen entstehen, verrundet werden. Dadurch wird die Haftung von Schmutzpartikeln verringert und das Ergebnis ist eine matte, satinartige Oberfläche.
Die Mittelteile werden mit einem hochwertigen speziell für 7075 entwickeltem Harteloxalverfahren beschichtet, das maximale Verschleißfestigkeit bei größtmöglicher Glattheit garantiert.
Außerdem werden alle Kanten direkt im Fräsprozess mit Radien entgratet, was zu einer unübertroffenen Wiederholgenauigkeit führt.

F-03:
Der Anstellwinkel der Wurfarme soll in einem erweiterten Bereich einstellbar sein, um eine größere Varianz beim Tiller und dem Zuggewicht zu ermöglichen.

Bei konventionellen Mittelteilen wird der Tillerbereich durch den Winkelfehler zwischen Tillerschraube und Wurfarm begrenzt. Bei zu großer Winkeldifferenz wird die Kraft nicht mehr ordnungsgemäß vom Wurfarm in das Mittelteil übertragen. Die Hersteller geben die äußerste Position der Tillerschraube über eine zulässige Umdrehungszahl an, bei denen der Winkelfehler gerade noch tolerierbar ist.

Durch neigbare Tillerschrauben existiert kein Winkelfehler zwischen Wurfarm und Mittelteil. So kann der Wurfarm in einem größeren Neigungsbereich justiert werden. Begrenzt wird dieser Bereich nur durch die Länge der Nut im Wurfarm.

F.L.A.T. – Form Locking Alignment Technology
Bis zu 20% erweiterter Tillerbereich